Allgemeine Bemerkungen

Die frühmittelalterliche Geschichte von Märstetten beginnt mit der Erwähnung eines "Adelgoz" oder "Adilgoz de Marstetin" in verschiedenen Dokumenten um das Jahr 900 n. Chr. herum. Dabei muss der Name "Adilgoz" über mehrere Generationen weitergegeben worden sein, so stiftet noch im Jahr 1126 n.Chr. ein Graf "Adilgoz de Marstetin" eine Kapelle im Kloster Einsiedeln und schenkt dazu Güter in Matzingen, Rümikon, Umikon, Affeltrangen und Wigoltingen (Quelle: Historisch-Biographisches Lexikons der Schweiz, 1924).

Die "de Marstetin" könnten verschiedenen Quellen zufolge direkte Verwandtschaften zu den Grafen von Nellenburg sowie zu den späteren Habsburgern gehabt haben. So treten immer wieder "de Marstetin" als Zeugen in Dokumenten der "von Nellenburg" auf.

Der nachfolgende Beitrag stellt den Versuch einer chronologischen Darstellung dar und wird laufend erweitert und korrigiert, sobald neue Erkenntnisse und Quellen vorliegen. Dabei gilt es zu brücksichtigen, dass allein der Name "Adilgoz" je nach Chronist ganz verschieden notiert worden ist (Adalgoz, Adalgot, Adelgoz, Adelgot, Adilgoz, Adilgot, Adilgoto usw.). Das Gleiche gilt für die mittelalterliche Schreibweise von Märstetten (Marestetin, Marstetin, Marsteti, Marstettin, Marstetten, Maresteten usw.). Wer neue, andere oder zusätzliche Informationen oder Bilder findet, ist herzlich zur Mitarbeit eingeladen!

~890 - 928 n. Chr. | Die Heilige Wiborada von Klingen

Rund um das Leben der "Wiberat" oder "Wiborada" ranken sich viele Geschichten. Dies beginnt bereits bei ihrer Herkunft. Hier ein Auszug aus "Wikisource":

Nach den alten Lebensbeschreibungen stammte W. von vornehmen Eltern aus alemannischem Stamme; eine genauere Bezeichnung ihrer Heimath geben dieselben nicht. Nach einer späteren Tradition, deren Ursprung und Zuverlässigkeit sich nicht näher controliren läßt, wäre sie in „Klingen in dem Turgöw“ geboren (so Murer; Neugart mit Berufung auf Murer: in arce Klingensi); andere sagen Klingen im Aargau (Stadler, Burgener; letzterer beruft sich für seine ganze Erzählung auf eine handschriftliche „Geschichte des Klosters St. Gallen aus dem Kloster Rheinau“, ohne über deren Alter etwas zu sagen); wieder andere neuere Autoren nennen Klingnau im Aargau (v. Arx, Schrödl im Kirchenlexikon XI, 370).
Einige der obigen Vermutungen lassen sich heute klar widerlegen: "Klingen im Aargau" ist identisch mit "Klingnau im Aargau", welches nachweislich erst im Jahre 1239 durch Ulrich II. von Klingen gegründet worden ist. Eine Herkunft aus Klingnau kann somit ausgeschlossen werden. Ebenso wurden andere Orte wie Klingenzell erst später durch die "von Klingen" gegründet.

Hingegen lässt die spätere Geschichte einen Herkunftsort mit der Bezeichnung "Klingen" durchaus als sinnvoll erscheinen, sofern man überhaupt davon ausgehen will, dass die heilige Wiborada tatsächlich eine "von Klingen" war:

Nördlich von Schönholzerswilen TG, nur rund 10 km vom späteren Stammsitz der "von Klingen" (Altenklingen) entfernt, gibt es ein "Klingentobel" und eine Flurbezeichnung "Klingen". Schönholzerwilen liegt zudem etwa auf halbem Wege zwischen Konstanz und St. Gallen.

Eher unwahrscheinlich, wenn aufgrund verschiedener Beziehungen zur Region um Augsburg auch nicht ganz ausgeschlossen, ist die Herkunft aus "Klingen" östlich von Augsburg.

Aus Wikisource:

Aus ihrer Jugend wird erzählt, daß sie von Kindheit an allen weltlichen Vergnügungen abgeneigt, nur dem Gebet und frommen Werken gegen die Kranken und Armen leben wolle. Doch lebte sie bis an den Tod ihrer Eltern mit diesen zusammen und pflegte sie mit kindlicher Pietät. Von ihrem Bruder Hitto, der Priester war, lernte sie die Psalmen auswendig beten.

Von einer mit ihm nach Rom gemachten Pilgerfahrt kehrte sie mit dem Entschluss zurück, sich ganz von dem Leben in der Welt zurückzuziehen, und sie bewog auch ihren geistlichen Bruder dazu, als Mönch in das Kloster St. Gallen einzutreten; derselbe wurde später vom Kloster als Propst der St. Mangkirche in St. Gallen bestellt. Sie selbst ging auf Veranlassung des Bischofs Salomon (III.) nach Konstanz (nach dem Berichte des Hepidannus) und lebte zuerst dort eine Zeitlang als Klausnerin.

Nach einiger Zeit aber begleitete sie den Bischof wieder nach St. Gallen und lebte nun zunächst vier Jahre (seit 912) in einer Zelle bei St. Georgen (in cella quadam in montibus sita, iuxta ecclesiam S. Georgii, parva constructa mansiuncula; Hartmann), oberhalb St. Gallen. Nach vier Jahren aber wurde sie, was nach der Notiz in den Annales Sangall. majores im Jahre 916 geschah (Mon. Germ. hist., Script. T. I p. 78, zu diesem Jahre: Wiberat reclusa est; entsprechend auch in den Chroniken des Hermannus Contractus und des Bernoldus), auf ihre Bitten von dem Bischof in einer Zelle unmittelbar bei der St. Mangkirche zu St. Gallen auf lebenslänglich eingeschlossen,

Seitdem verkehrte sie nur durch das Fenster ihrer Klause mit der Aussenwelt. Bald zu hohem Ansehen gelangt, wurde sie von vielen, von Vornehmen und Geringen, als Beratherin in geistlichen und leiblichen Nöthen aufgesucht. Unter denjenigen, denen sie durch ihren frommen Rath eine geistliche Mutter war, wird besonders der heilige Ulrich, der spätere Bischof von Augsburg, genannt, der als Schüler im Kloster St. Gallen in ein solches Verhältniss zu ihr getreten sei, und dem sie, wie seine und ihre Biographen berichten, auch seine künftige Würde vorher gesagt haben soll.

Den Einfall der Ungarn in St. Gallen im Jahre 926 und ihren dadurch herbeigeführten gewaltsamen Tod soll Wiborada im vorhergehenden Jahre in einer Vision vorhergeschaut haben. Abt Engelbert traf auf ihren Rath, als die Ungarn heranrückten, Vorsichtsmaßregeln zum Schutz seiner Mönche, mit denen er das Kloster verliess, um sich in einen geschützten Zufluchtsort zurückzuziehen, und zur Rettung der Schätze des Klosters; sie selbst widerstand den Bitten und Aufforderungen, ihre Klause zu verlassen und sich zu retten. Am 1. Mai 926 geschah der Einfall der Ungarn in St. Gallen. Da sich diese in ihrer Erwartung reicher Beute getäuscht sahen, versuchten sie vor ihrem Abzuge noch vergeblich, die St. Mangkirche in Brand zu stecken. Einige aber stiegen durch das abgedeckte Dach in die Klause der Wiborada ein, in der Meinung, dort verborgene Schätze zu finden. Als sie darin aber nur Wiborada im Gebete fanden, entkleideten sie dieselbe bis auf das Cilicium und brachten ihr drei tödtliche Wunden am Haupte bei. Dies geschah an demselben 1. Mai; am folgenden Morgen, also am 2. Mai, starb Wiborada an ihren Wunden; zurückgebliebene Klosterleute fanden sie in der blutbespritzten Zelle. Als nach acht Tagen der Abt und die Mönche zurückkehrten, wurde ihr Leichnam feierlich zur Erde bestattet.

Wegen ihres gewaltsamen Todes durch die Heiden wurde sie bald als Martyrin betrachtet, und schon im folgenden Jahre gab der Abt ihrem Bruder Hitto, dem Propst von St. Mang, den Auftrag, den Jahrestag ihres Todes als den einer heiligen Jungfrau bei St. Mang feierlich zu begehen.

Quellen:

  • Vita S. Wiboradae auctore Hartmanno, monacho S. Galli, in den Acta Sanctorum Maji T. I. p. 284-296, zum 2. Mai, und herausgeg. v. Waitz in den Monumenta Germaniae hist., Script. T. IV, p. 452 ss. – Vita S. Wiboradae auctore Hepidanno, in den Acta SS., I. c., p. 293-308. [306]
  • Murer, Helvetia sancta (Luzern 1648), S.213-225. – Neugart, Episcopatus Constantiensis, Pars I, T. I (1803) p.273-275. – J. von Arx, Geschichte des Kantons St. Gallen, Bd. I (1810), S.212 ff., 215 f. – Stälin, Wirtembergische Geschichte, Bd. I (1841), S.432 f. – Stadler, Vollständ. Heiligenlexikon, Bd. V, S.782. – Burgener, Helvetia sancta, Bd. II (1860), S.350-356. – Meyer von Knonau ins einer Ausgabe von Ekkeharti Casus S. Galli (Mittheilungen z. vaterländ. Gesch., herausg. vom hist. Verein in St. Gallen, XV u, XVI, 1877), S.203 f., 208, 209, 213 f., 276.

Papst Clemens II. sprach Wiborada 1047 als erste Frau der Kirchengeschichte heilig.

Um 900 n. Chr. | Adelgoz de Marstetin erhält das Recht für eine Eigenkirche

Vermutlich befand sich am Standort der heutigen Kirche bereits um 900 n. Chr. eine stark befestigte Burg oder Wehranlage der Herren "de Marstettin". Jedenfalls wurden bei Grabarbeiten nördlich der Kirche "dicke Umfassungsmauern" gefunden, welche von Ost nach West verlaufen. Ebenso sollen ebenfalls nördlich der Kirche im Gebiet des heutigen Friedhofs Reste von Mauern gefunden worden sein, die teilweise in die Römerzeit datiert wurden. Man darf annehmen, dass es sich bei dieser Eigenkirche des "Adelgoz de Marstetin" wohl um eine zur Burg gehörende Kapelle gehandelt hat.

Aus Wikipedia:

Eigenkirchen (lat. ecclesia propria oder propriae haereditatis) waren im frühen Mittelalter Gotteshäuser (Kirchen, Klöster), die meist Laien (örtlicher Adel, Grafen und Herzöge des Frankenreiches zeitweise bis hin zum König) auf privatem Grund und Boden errichten ließen. Über die Eigenkirchen bzw. Eigenklöster hatte der Grundherr das Recht der Investitur, das heißt der Ein- und Absetzung der Pfarrer bzw. der Äbte ohne Bewilligung durch den Diözesanbischof. Der Grundherr war Vogt seiner Eigenkirche. Es standen ihm zwar die Nutzungen der Erträge (Zehent und Grunderträge) zu, doch hatte er auch für die Bedürfnisse der Kirche und der Seelsorge aufzukommen.

983 n.Chr. | Gründung der Benediktinerabtei "Petri Domus"

(später "Petrihusa", heute Petershausen bei Konstanz)

Bischof Gebhard II. wurde 949 n. Chr. als Sohn des Grafen Udalrich VI. von Bregenz geboren. Mit 30 Jahren ernannte ihn Kaiser Otto II. zum Bischof von Konstanz. In dieser Funktion hatte er stets das Wohlergehen der Armen und Schwachen seines Bistums im Blick. 983 n. Chr. stiftete er die Benediktinerabtei Petershausen im Westen von Konstanz als erstes bischöfliches Eigenkloster und setzte dafür einen beträchtlichen Teil seines eigenen Vermögens ein. Er stammte aus dem alemannischen Hochadelsgeschlecht der Udalrichinger (Zähringer). Er verstarb am 27.8.995 in Konstanz und wurde in Petershausen bestattet, seine Gebeine wurden 1134 und 1259 feierlich "erhoben", was einer Heilgsprechung gleichkam.

990 n. Chr. | Adilgoz de Marstetin schenkt dem Kloster Petershausen zwei Rebgüter am Ottenberg

Es ist bislang unklar, in welcher Beziehung "Adilgoz de Marstetin" zu Bischof Gebhard II. steht. Laut Urkundenbuch schenkt er dem Kloster Petershausen bei Konstanz am 12. März 990 zwei Wingert (Rebgüter) am Ottenberg.

Klar ist auf jeden Fall, dass aufgrund dieser Schenkung von Gütern am Ottenberg die Ursprünge des Geschlechts der "de Marstetin" tatsächlich im heutigen Märstetten zu suchen sind (die Burg "Marstetten" im Allgäu wurde erst im 11. oder 12. Jahrhundert erbaut und kann deshalb als Namensgeber nicht in Frage kommen).

Quelle: Chronik des Klosters Petershausen